Am Montag postete Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, drei Sätze auf seiner Facebook-Seite: „Über Pfingsten habe ich viele lärmende Poser und Raser gehört und gesehen. Das nervt total und ist gesundheitsschädlich. Wir müssen endlich mehr dagegen tun.“ Mehr als 80 Kommentare sammelten sich in der Folge unter dem Beitrag, dazu kamen private Nachrichten.
Zuständig für entsprechende Kontrollen ist insbesondere die sogenannte „Kontrollgruppe gegen Raser und Poser“ bei der Polizei Bremen. Sie war Ende Juni vergangenen Jahres gegründet worden, vor allem auf Druck der Grünen-Fraktion. Seitdem fuhren zivile Einsatzfahrzeuge an mehreren Tagen in der Woche Streife und kontrollierten in der Zeit bis Ende September nach Angaben der Polizei 135 Fahrzeuge – ein Schnitt von etwas mehr als einem Fahrzeug pro Tag.
Die dabei festgestellten Verstöße reichen von illegalen Autorennen über technische Manipulationen an den Fahrzeugen, bis hin zu übermäßigem Beschleunigen und Lärmbelästigung. Allerdings: „Seit Oktober ruht die Tätigkeit der Kontrollgruppe, jahreszeitlich bedingt“, sagt Polizeisprecherin Franka Haedke dem WESER-KURIER. Und: Der Start der Kontrollsaison im April habe sich wegen der Corona-Krise verzögert. In Kürze wolle man die Maßnahmen aber wieder aufnehmen.
Saxe kann das nicht nachvollziehen. Zwar sei verständlich, dass die Beamten ihre Tätigkeiten an den Risiken der Pandemie ausrichteten, dass die Einsatzgruppe aber seit nunmehr acht Monaten ruht, findet er nicht richtig. Schließlich stünden die Autos und Motorräder, um die es vornehmlich geht, im Winter nicht in der Garage. „Da müssen wir einen Zahn zulegen“, fordert der Bürgerschaftsabgeordnete, „denn so ist es tatsächlich nicht meinen Erwartungen entsprechend. Es braucht dauerhaften Kontrolldruck, um die Szene zu beeindrucken.“ Dass es diese Szene in Bremen gibt, kann die Polizei jedoch nicht bestätigen. „Die Hauptärgernisse der Bürger begründen sich auf Lärmbelästigung durch laute Motoren und illegale Kraftfahrzeugrennen. In diesen speziellen Phänomenen kann nicht von einer Szene gesprochen werden“, sagt Polizeisprecher Nils Matthiesen.
Fahrzeuge oft nicht manipuliert
Um Lärm-Beschwerden nachzugehen, werden sogenannte Schallpegelmessgeräte genutzt. Das Problem laut Polizei: Die Geräte liefern keine gerichtlich verwertbaren Messergebnisse, sondern bei Verkehrskontrollen lediglich einen Verdachtsmoment. Daher brauche es mehr, um Verstöße tatsächlich ahnden zu können. Matthiesen: „Die mögliche technische Manipulation muss durch einen Kfz-Sachverständigen bestätigt werden.“
Doch auch den Sachverständigen seien rechtlich oftmals die Hände gebunden. Denn trotz erheblicher Lautstärke sei der weitaus größte Teil der Fahrzeuge, die durch die Einsatzgruppe überprüft wurden, serienmäßig und nicht manipuliert. Deshalb sei die Einsatzgruppe zwar sinnvoll, sagt Matthiesen, hinsichtlich der Lärmbelästigung durch laute Abgasanlagen seien aber auch der Gesetzgeber und die Automobilindustrie in der Pflicht.
Saxe sieht das ähnlich, Lärmbelästigung sei schließlich ein Problem, das zunehme. „Hier wird eine große Mehrheit von einer lärmenden Minderheit genervt“, sagt der Abgeordnete. „Auch die gesundheitlichen Auswirkungen von Verkehrslärm sollte man nicht bagatellisieren.“ Ein Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen kommt zu dem Ergebnis, dass Verkehrslärm ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch für Schlafstörungen und Depressionen sei. Saxe fordert deshalb neben intensiveren Kontrollen auch den Einsatz sogenannter Lärmblitzer, die derzeit in verschiedenen europäischen Großstädten getestet werden. In Hannover werde ein solches Pilotprojekt derzeit geprüft.
Bundespolitisch ist das Thema Verkehrslärm ebenfalls aktuell. Im Mai hat der Bundesrat einen Beschluss zur Minderung und Kontrolle von Motorradlärm gefasst. Kernpunkt der Forderungen der Länder: eine Verschärfung der geltenden Lärmgrenzwerte: 80 Dezibel maximal, ob beim Anfahren nach der roten Ampel oder beim Ausfahren auf der Landstraße. Durchgesetzt werden solle dies mithilfe eines Lärmmessverfahrens und notfalls durch zeitlich beschränkte Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen. Soweit möchte Saxe nicht gehen. „Fahrverbote wären nicht mein Weg. Man muss gezielt diejenigen adressieren, die sich regelwidrig verhalten.“ Dafür bräuchte es aber ausreichend Kontrollen. Damit fordere er nur, was sich viele Bremer wünschten. Dies zeigten Kommentare und Berichte in den sozialen Medien.