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Sport Jutta Kleinschmidt

"Für die sexuellen Übergriffe gibt es zahlreiche Zeugen"

Jutta Kleinschmidt (l.) mit ihrem damaligen Chef Kris Nissen Jutta Kleinschmidt (l.) mit ihrem damaligen Chef Kris Nissen
Jutta Kleinschmidt (l.) mit ihrem damaligen Chef Kris Nissen
Quelle: picture-alliance/ dpa/dpa
Jutta Kleinschmidt erhebt im Interview mit "Welt Online" weitere Vorwürfe in der Sex-Affäre um VW-Motorsportdirektor Kris Nissen.

Die Rallye Dakar wird von schweren Vorwürfen gegen VW-Motorsportdirektor Kris Nissen überschattet. Bei einer Rangelei nach dem Formel-3-Saisonfinale in Macau soll der 50 Jahre alte Däne eine Frau belästigt haben. Der Konzern in Wolfsburg hat daraufhin eine interne Ermittlung wegen schwerwiegender Vorwürfe der sexuellen Nötigung eingeleitet. Nissen wird dennoch vorerst im Amt bleiben. „Danach wird die Angelegenheit zu Hause geklärt“, heißt es in einer Mitteilung. Trotzdem gab es schon gestern erste Konsequenzen: Sänger Peter Maffay sagte seinen für das Wochenende geplanten PR-Auftritt im Fahrerlager aus Angst vor Negativschlagzeilen ab. Jutta Kleinschmidt gewann 2001 als erste Frau die Rallye Dakar; von 2002 bis 2006 fuhr sie für VW. Dort war Nissen ihr Vorgesetzter.

Welt Online: Frau Kleinschmidt, hat VW-Motorsportdirektor Kris Nissen ein Problem mit Frauen?

Jutta Kleinschmidt (48): Ich denke schon, auch wenn ich nicht weiß, was genau sein Problem ist.

Welt Online: Was konkret ist Ihnen widerfahren?

Kleinschmidt: Ich war eine der wenigen Personen, die es gewagt hat, ihm zu widersprechen. Das hat oft zu Ärger zwischen uns geführt. Als meine Vertragsverlängerung 2006 anstand, hat er meinen Kontrakt nicht erneuert. Vom Ende der Rallye Dakar im Januar bis zum Mai wurden mein Management und ich hingehalten. Es fanden keinerlei Vertragsgespräche statt. Dann, als endlich ein Gesprächstermin vereinbart war, wurden mein Management und die Presse praktisch gleichzeitig darüber informiert, dass die Zusammenarbeit beendet ist. Wir hatten also gar keine Chance mehr, darauf zu reagieren, und wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.

Welt Online: Warum haben Sie nichts dagegen unternommen?

Kleinschmidt: Was denn? Das war kurz vor dem Wechsel an der Konzernspitze (Martin Winterkorn für Bernd Pischetsrieder – d.R.). Da hatte die Führung in Wolfsburg sicher andere Probleme als meine Vertragsverlängerung. Insgesamt war ich sehr enttäuscht davon, dass bei Begründungen von Volkswagen Motorsport falsche Aussagen gemacht wurden. Das Thema war ja auch schon in der Presse veröffentlicht. Aus dem Team konnte mir auch keiner helfen, da Widerspruch zu Konsequenzen bis hin zum Jobverlust führte.

Welt Online: Wie bitte?

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Kleinschmidt: Viele haben unter Nissen ihren Job verloren. Es reichte schon, wenn man zum falschen Zeitpunkt eine Zeitung gelesen hat. Er war unantastbar. Irgendwann haben alle nur noch den Mund gehalten und versucht, unbeschadet ihrem Job nachzugehen.

Welt Online: Frau Kleinschmidt, warum brechen Sie Ihr Schweigen erst jetzt, Jahre später?

Kleinschmidt: Ich breche nicht mein Schweigen. Bis jetzt hat mich einfach niemand öffentlich danach gefragt. Dass das Ganze in die Medien gelangt ist, ist auch für mich eine große Überraschung. Sein Verhalten in der Hotelbar in Macau hat das öffentliche Interesse geweckt.

Welt Online: Es gibt auch den Standpunkt: Kris Nissen ist ein erfolgreicher Motorsportdirektor. Wie er seine Ziele erreicht, bleibt ihm überlassen.

Kleinschmidt: Stimmt, das könnte man so sagen. Ehrlich gesagt: Es fehlt aber die große sportliche Konkurrenz. Es gibt kein weiteres Werksteam bei der Rallye Dakar. Wer gewinnen will, sollte in einem VW sitzen. Es gibt keinen Konzern, der so viel Geld dafür ausgibt wie VW. Da ist der Erfolg für Kris Nissen fast automatisch.

Welt Online: Die schwedische Navigatorin Tina Thörner beschuldigt Nissen auch sexueller Übergriffe.

Kleinschmidt: Diese Anschuldigungen von Tina Thörner sind korrekt. Dafür gibt es zahlreiche Zeugen.

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Welt Online: Es scheint unglaublich, dass niemand etwas davon mitbekommen haben will.

Kleinschmidt: Viele haben davon gewusst. Aber was sollten sie denn machen? Da hängen ganze Existenzen dran.

Welt Online: Pflegte Nissen mit Männern einen anderen Umgang als mit Frauen?

Kleinschmidt: Generell würde ich sagen, dass er keinen Respekt gegenüber Menschen hat, denen er sich überlegen fühlt.

Welt Online: Wissen Sie das aus Erzählungen, oder haben Sie das selbst erlebt?

Kleinschmidt: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Auch vor einem mehrmaligen Weltmeister schreckte er nicht zurück. Ich war dabei, als er einen Piloten, der neu bei VW war und bei einer Rallye mehrmals in den Dünen stecken geblieben war, vor versammelter Mannschaft anschrie. Da fielen Sätze wie: „Du bist viel zu blöd zum Autofahren.“ Zu diesem Zeitpunkt war unser Auto aus technischen Gründen noch sehr schwer in den Dünen zu fahren. Besagter Fahrer konnte nichts dafür, dass er stecken geblieben war.

Welt Online: Halten Sie die Entscheidung von VW, Nissen als Motorsportdirektor und bei der Dakar verantwortlich in Südamerika belassen, für richtig?

Kleinschmidt: Das muss VW entscheiden. Ich würde ihn wahrscheinlich nach Hause schicken.

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