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Konzentrationslager "Schwur von Buchenwald": Wie die Überlebenden sich Gerechtigkeit und die Vernichtung des Nazismus schworen

Schwur von Buchenwald
Eine Skulptur auf dem Gelände des ehemaligen KZ erinnert an den Schwur von Buchenwald
© Ralf Hirschberger/ / Picture Alliance
Schon bevor US-Truppen im April 1945 das KZ Buchenwald erreichten, hatte sich ein Widerstand im Lager formiert. Nach der Befreiung schworen die Überlebenden, Krieg und Faschismus bekämpfen zu wollen.

Als US-amerikanische Soldaten im Konzentrationslager Buchenwald eintrafen, wurden sie von den Häftlingen schon erwartet. Im KZ hatte sich ein massiver Widerstand gebildet, der die Befehlsstrukturen der SS nach und nach unterwandert und sich bewaffnet hatte. Per Funk war es einigen Häftlingen sogar gelungen, Kontakt zu den US-Truppen aufzunehmen. Damit war klar: Die Rettung nahte. Am 11. April 1945 waren die Alliierten endlich da.

Ob es sich um eine Befreiung durch die US-Amerikaner oder eine Selbstbefreiung durch die Häftlinge handelt, darüber wurde in den vergangenen Jahrzehnten viel diskutiert. Vor allem in der DDR wurde der Mythos der sozialistischen Widerstandskämpfer, die ihre Unterdrücker vertrieben hätten, gepflegt. Historiker gehen davon aus, dass die Häftlinge dafür nicht über genügend Waffen verfügten. Die Erinnerungen der überlebenden KZ-Insassen widersprechen sich teilweise. Klar ist jedoch: In Buchenwald gab es eine gut organisierte interne Widerstandsbewegung.

KZ Buchenwald: Widerstand durch das Internationale Lagerkomitee 

Schon 1943 hatte sich ein Internationales Lagerkomitee gebildet, dem deutsche Antifaschisten, aber auch andere politische Häftlinge aus den vom Deutschen Reich besetzten Ländern angehörten. Die Leitung übernahm der Kommunist Walter Bartel. Den Mitgliedern des Lagerkomitees gelang es teilweise, gesuchte Insassen zu verstecken, Waffen aus den Beständen der SS zu entwenden oder heimlich Informationen über den Kriegsverlauf zu erhalten.

Einige der KZ-Insassen hatten der Widerstandsgruppe ihr Leben zu verdanken. Die Nazis delegierten verschiedene Aufgaben an Häftlinge – das Lagerkomitee sorgte immer wieder dafür, dass kranke oder schwächliche Insassen für die Aufgaben eingeteilt wurden und so der Zwangsarbeit so weit wie möglich entgehen konnten. Im Januar 1945 richtete der tschechische Kommunist Antonín Kalina mit Unterstützung des Lagerkomitees den "Kinderblock" 66 ein, um hunderten jüdischen Kindern und Jugendlichen das Überleben zu ermöglichen, darunter auch der spätere Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel.

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Als die US-Truppen immer näher heranrückten, ordnete SS-Reichsführer Heinrich Himmler an, das KZ zu evakuieren. Die Wachmannschaft schickte Zehntausende der ursprünglich fast 50.000 Insassen zu Fuß auf den Weg in die Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg oder das Ghetto Theresienstadt. Auf den Todesmärschen starben insgesamt 12.000 bis 15.000 Menschen. Die Widerstandsgruppen im KZ versuchten durch gezielte Sabotageaktionen, die Evakuierungen zu verzögern, damit möglichst viele Häftlinge noch im Lager waren, wenn die US-Amerikaner eintrafen. Um 14.30 Uhr am 11. April erreichten die US-Truppen das Konzentrationslager. Ein Großteil der SS-Männer floh, bewaffnete Widerstandskämpfer nahmen einige Wächter fest. Vom Wachturm ertönte der Ruf: "Kameraden, wir haben das Lager in unserer Hand."

Der Schwur von Buchenwald: Gedenken und Verpflichtung

Insgesamt starben in Buchenwald mehr als 50.000 Menschen. 21.000 Überlebende fanden sich acht Tage nach der Befreiung des Konzentrationslagers zu einem berührenden Ritual zusammen. Sie gedachten derjenigen, die das Grauen von Buchenwald nicht überlebt hatten: "51.000 erschossen, gehenkt, zertrampelt, erschlagen, erstickt, ersäuft, verhungert, vergiftet, abgespritzt. 51,000 Väter, Brüder, Söhne starben einen qualvollen Tod, weil sie Kämpfer gegen das faschistische Mordregime waren. 51.000 Mütter und Frauen und hunderttausende Kinder klagen an!"

Gemeinsam leisteten sie einen Schwur, den das Internationale Lagerkomitee verfasst hatte, den "Schwur von Buchenwald". Darin heißt es in französischer, russischer, polnischer, englischer und deutscher Sprache unter anderem:

"Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig."

Schwur wurde 2015 erneuert

Aus den Worten spricht der tiefe Schmerz über das unermessliche Leiden unter den Nazis, aber auch der Kampfgeist und die Hoffnung, die viele Häftlinge trotz widrigster Umstände am Leben gehalten hatte. "Trotzdem Ja zum Leben sagen" – wie es im ebenfalls berühmten Buchenwald-Lied heißt. Noch waren die Nazis nicht endgültig besiegt und der Zweite Weltkrieg nicht beendet, doch im Schwur von Buchenwald zeigte sich bereits der Wille zu einer "neuen Welt".

Seitdem werden die Worte immer wieder bei Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Befreiung zitiert. Die Überlebenden verstehen sie als Auftrag, die Nachgeborenen an die Schrecken von Nationalsozialismus und Holocaust zu erinnern. 2015, zum 70. Jahrestag der Befreiung, erneuerten Buchenwald-Überlebende auf der offiziellen Gedenkveranstaltung den Schwur in verschiedenen Sprachen. Auf Russisch sprach den Schwur damals der Ukrainer Boris Romantschenko, der im vergangenen März in Charkiw durch einen russischen Bombenangriff getötet wurde. 

Quellen: Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-DoraBundeszentrale für politische BildungMDR / "Spiegel"

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