Universum History

Gaudiopolis - Republik der Kinder

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Kinder wählten eine eigene Regierung, druckten Zeitungen und sorgten selbstständig für ihren Lebensunterhalt.

Hunderte Kinder gründeten unter der Führung des lutherischen Pastors Gábor Sztehlo 1945 Gaudiopolis – die Stadt der Freude. Viele von ihnen waren jüdischer Abstammung und zum Schutz vor den Nationalsozialisten ab 1944 in christlichen Kinderheimen versteckt worden. Schon bald jedoch strömten weitere Waisen- und Kriegskinder unterschiedlichster Herkunft in die von Gábor Sztehlo „besetzten“ Villen in Budapest. 1945, nach dem Ende des Krieges, entwickelte Gábor Sztehlo gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern das reformpädagogische Konzept der Kinderrepublik Gaudiopolis. In der „Stadt der Freude“ sollten die Kinder, unabhängig von ihren sozialen und religiösen Wurzeln, eine friedliche Gemeinschaft aufbauen und lernen, Entscheidungen auf Basis von Toleranz und gegenseitigem Verständnis zu treffen. In bewegenden Interviews erzählen ehemalige Gaudiopolis-Kinder die unglaubliche Geschichte ihrer „gelebten Utopie“ und erinnern sich an die Hoffnung, die Freude, die Selbstbestimmung sowie die unglaubliche Kraft, die sie für ihr Leben danach daraus geschöpft haben.

Kinder als autonome Bürger

Mit großem Enthusiasmus engagierten sich die Kinder für ihre Demokratie, wählten einen Ministerpräsidenten, erstellten eine Verfassung und druckten ihr eigenes Geld, den „Gapo-Dollar“. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie aus dem Erlös von Produkten aus ihren Werkstätten und von dem, was die Obstbäume im Garten abwarfen. Hilfsangebote, die an unzumutbare Bedingungen geknüpft waren, lehnte Gábor Sztehlo ab. So wollten zum Beispiel jüdische Organisationen nur jüdische Kinder unterstützen. Und die lutherische Kirche verlangte die alleinige Kontrolle über Gaudiopolis. Nur das Rote Kreuz war bereit, Lebensmittel zu liefern, ohne Forderungen zu stellen.

Bild von
Kinder und Gábor Sztehlo gründen Gaudiopolis
ORF/Pitch TV/Gennadiy Glavitskiy
Auf diesem Grundstück gründen die Kinder ihre Stadt der Freude - Gaudiopolis.
Lehrer unterrichtet Schüler, die auf Schulbank sitzen
ORF/Pitch TV/Gennadiy Glavitskiy
Alle Lehrer, die von Gábor Sztehlo persönlich engagiert werden, müssen den Kindern vor allem beibringen, autonome Bürger zu werden, soziale Grenzen zu überschreiten und fähig zu Selbstkritik zu sein. In der Schreibwerkstatt werden auch eigene Zeitungen gedruckt.
Mädchen wird von Gábor Sztehlo getauft
ORF/Pitch TV/Gennadiy Glavitskiy
Mit Schnelltaufen und gefälschten Taufscheinen rettet Gábor Sztehlo hunderte Kinder vor den Nazis.
Mädchen protestieren gegen den gewählten Ministerpräsidenten
ORF/Pitch TV/Gennadiy Glavitskiy
1946, ein Jahr nach der Gründung von Gaudiopolis, protestieren die Mädchen gegen den gewählten Ministerpräsidenten und bringen die Regierung zu Fall.
Éva Bán wird von ihrer Mutter in eines von Gábor Sztehlos Kinderheimen gebracht
ORF/Pitch TV/Gennadiy Glavitskiy
Éva Bán wird von ihrer Mutter in eines von Gábor Sztehlos Kinderheimen gebracht. Ihre Mutter hat sie danach nie wieder gesehen.
Éva Bán heute. Sitzt am Tisch.
ORF/Pitch TV
Éva Bán heute

Das Ende der Kinderrepublik

Sechs Jahre lang lebten die Kinder ihren Traum von Freiheit und Unabhängigkeit. Im kommunistischen Ungarn wurden demokratische Strukturen wie die von Gaudiopolis zunehmend unterdrückt. 1951 verordnete der ungarische Diktator Mátyás Rákosi das Ende der Kinderrepublik. Sämtliche Versuche Gábor Sztehlos, den Kindern weiterhin ein Überleben in geordneten Strukturen zu ermöglichen, scheiterten.

Regie

Frederic Tonolli